Malen und bildnerisch-kreatives Gestalten mit Geistigbehinderten

„ Ich sehe was, was Du nicht siehst!“
Der Mensch neben mir sieht etwas anders als ich.

Es ist spannend zu beobachten: Ein geistig behinderter Erwachsener sitzt vor seinem Blatt, und Pinselstrich um Pinselstrich bringt er seine innere Vorstellungskraft in diesem Moment auf das Papier. Ich sitze dabei und versuche nachzuvollziehen was da entsteht.

In den Malgruppen mit geistig behinderten Erwachsenen ist es wichtig, dass jedes Bild
als Ausdruck der Persönlichkeit des Malers gesehen und anerkannt wird.

Geistig behinderte Menschen erleben im Alltag viele Situationen, die sie nicht oder nur ungenügend bewältigen können. Dadurch entwickeln sie oft ein nur schwaches Selbstwertgefühl. Die Stärkung des Selbstbewusstseins und des Vertrauens in die eigene Kraft ist ein zentrales Anliegen in der kunsttherapeutischen Arbeit mit Behinderten.

Wichtig ist das ein behinderter Mensch immer wieder erlebt: Was ich mache, ist meine Gestaltung und gut und richtig.
Eine zentrale Eigenschaft des Malens kommt den meist eingeschränkten Fähigkeiten Geistigbehinderter entgegen: Weil mit dem Malen an sich keine hohen Ansprüche verbunden sind – etwa fotorealistische Darstellung oder ähnliches – und Offenheit im Hinblick auf die Art des Umgangs und der Verwendung der bildnerischen Materialien herrscht, kann jeder malen, wenn er nur fähig ist, zu sehen und einen Pinsel oder Stift zu führen.

Behinderung ist relativ: Auch wenn dem Geistigbehinderten viele andere Tätigkeiten versagt sind, macht sich die Behinderung beim Malen nicht so deutlich; das Malen ist ein Bereich, in dem er nicht behindert ist. Gleiches gilt für das Modellieren in Ton.

Die Fähigkeit, das eigene Handeln bis in Einzelheiten geistig zu entwerfen und zu planen, kommt nur wenigen Geistigbehinderten zu. Viele können größere Zeiträume nicht vorausplanend überschauen. Beim Malen und Modellieren jedoch folgen Handlungen und deren Auswirkungen zeitlich sehr dicht aufeinander, so das der Geistigbehinderte die Folgen seines Handelns unmittelbar erfahren kann, zum Beispiel wenn er zwei Farben übereinander malt und daraus dann eine völlig andere entsteht, er einen Klumpen Ton zu einer Rolle formt oder aus Wolle eine Kugel filzt.